/ FALs virtuelle Welt / Unterwegs auf dem Via Francigena

Ein Reisebericht (23. Tag)


Wie hatte die nette Frau an der Rezeption gestern abend gemeint? Wenn ich Frühstück zeitig möchte müsse ich einfach dem Nachtportier Bescheid geben, er mache sowieso das Frühstück. Angedacht war halb neun, ich kam um dreiviertel und er behauptet, es gebe erst ab neun Uhr etwas zu essen, woraufhin er sich, inzwischen ist's 8 Uhr 55, wieder hinter seinen Tresen legte… Kommt Ihnen bekannt vor? Man gewöhnt sich daran. Zehn nach neun saß ich dann im Frühstücksraum, wartete auf meinen Cappuccino und haute mich eben erst mal mit Kuchen voll, bis er aus dem Geschäft wieder kam, wo er Milch kaufen gegangen war. Gut Ding will eben Weile.
der Siena-Plan Nun war es ja nicht mehr weit, die Ewige Stadt wurde immer städtischer und der Petersdom schon bald sichtbar. Es ging noch an der Universität vorbei und durch ein Waldstückchen. Da ich den Pilgerweg verloren hatte blieb mir nichts anderes übrig, als Leute zu fragen, immerhin kann hier aber jeder sagen, wie man zum Petersdom kommt, manchmal sieht man ihn nämlich wieder nicht. Wir erinnern uns: Rom liegt in sieben Hügeln. Das nächste Problem war: Der Zug muss einen Tag im Voraus gebucht sein und das Gepäck muss ich beim Besichtigen nicht dabei haben. Also sah mein Plan folgendermaßen aus: Mit der U-Bahn zum Bahnhof fahren, Fahrkarte kaufen, Gepäck in ein Schließfach, mit der U-Bahn zurück, alles anschauen, wieder zum Bahnhof und in der Nähe ein Hotel suchen. Bis zum Fahrkartenschalter lief erst mal alles nach diesem Plan. Dort erwarteten mich dann 15 Schalter für Karten innerhalb Italiens und drei Schalter für internationale Karten. Warum also nicht versuchen, dem Fahrkartenautomaten ein Ticket nach Giengen zu entlocken? Es gelang mir nicht, also doch Schlangestehen. Nach einer Viertelstunde verlor ich die Nerven und nahm das Schild, das ein mitdenkender Angestellter hier aufgestellt hatte: „Ab 1. August gibt's internationale Fahrkarten auch am Automaten“, ernst ‒ mein Fehler, dadurch wurde ich beim erneuten Anstellen um 5 Positionen nach hinten versetzt. Die beiden Wörtchen „theoretisch zumindest“ hatte er auf dem Schild vergessen.
das Vatikan-Museum… Wahrscheinlich sieht man nach drei Wochen Pilgern und einer Stunde Anstehen doch etwas anders aus, die - würde ich „freundliche“ sagen müsste ich lügen ‒ Verkäuferin der internationalen Karten schaute mich jedenfalls an, als ob nun gleich eine Anfrage nach einem Billett zum Mond käme. Nein, nur nach Giengen an der Brenz wolle ich. Da ich nicht voraussetzte, dass sie dies kennen würde schob ich ihr die Verbindung, die mir ein kompetenter Mitarbeiter in Siena ausgedruckt hatte, durch das Glas. Als sie mir nun drei Fahrkarten ausdruckte und den Betrag von der Kreditkarte abgebucht hatte wunderte ich mich ob des Preises und der Reisezeit. Da sehe ich, dass sie mir eine Karte über Siena gebucht hatte. Nun wurde mir klar, weshalb die Trenitalia lieber Angestellte ohne Englischkenntnisse an den internationalen Schalter setzt; besser, sie verstand nicht alles, was ich gesagt habe. So also der Umkehrschluss: nicht alles, was lange dauert muss auch gut sein.
…die Schleuse Egal, ich bin in Rom und will nur noch schnell mein Gepäck loswerden. Nach einem Marsch durch den halben Bahnhof komme ich wieder an einen Schalter mit einer ewigen Schlange, nun habe ich aber die Schnauze voll und suche mir gleich ein Hotel. Das findet sich in der Nähe und ist mit 70 € auch bezahlbar. Zurück in die U-Bahn und zum Vatikan. Da ich dort wieder ausstieg, wo ich eingestiegen bin, war dies nur ein Ausflug in die moderne Fortbewegung, bis zum Ziel bin ich jeden Meter mit den eigenen Füßen gelaufen. Der Dom hat immer auf, das Museum schließt um drei Uhr, also gehe ich dort zuerst hin. Diese Menschenmassen. Immerhin bekommt diese die katholische Kirche besser in den Griff als die italienische Eisenbahn und somit muss man nicht lange warten; das Gefühl einer Schleuse wird man allerdings das ganze Museum lang nicht los. Da sage mal noch jemand etwas gegen Ablasshandel, das Geld wurde doch gut investiert. In der Sixtinischen Kapelle wollte ich noch ein Foto machen - nicht von den Gemälden, sondern von den Menschen auf dem Boden; ich habe noch nie eine so überlaufene Kirche gesehen. Der Film war aber voll, also kann ich's nur erzählen.
das Ziel der Reise: der Petersdom Anschließend ging es in den Petersdom und schon wieder Schlangen. Vor allem Amerikaner und Chinesen interessierten sich für die christliche Geschichte. Mein kleines Taschenmesser, das mich bis hierher treu begleitet hatte, durfte nicht mit hinein in den Petersdom, im Museum hatte doch auch niemand etwas gesagt. Wie zu Hause: zum Wegwerfen war es zu schade, also legte ich es hin. Hier löste sich das Problem allerdings von alleine. Schon im Museum hatte ich nicht den Nerv gehabt, mir nun alles intensiv anzuschauen, ich lief eben durch den Dom und ließ ihn auf mich wirken. Über den Trevibrunnen, den ich unbedingt auch sehen wollte, man denke nur an Anita Ekberg, lief ich zum Hotel zurück. Auf dem Weg dorthin aß ich noch eine Pizza. Der Kellner meinte, nachdem ich versuchte hatte, auf Italienisch etwas zu bestellen, wir könnten uns auch deutsch unterhalten. Das Gespräch war jedenfalls schnell beendet, als er, offensichtlich ein Schwabe meinte, Leipzig sei ja gar nicht deutsch, sondern Ostblock. Das Schönste am Ende einer Pilgerfahrt ist eben die Ruhe, die man hat; die braucht man in einer Stadt wie Rom auch dringend.

24. Tag